Ihr als Eltern und Lehrkräfte habt jeden Tag die verantwortungsvolle Aufgabe, Kindern die Welt zu erklären. Und genau das ist in diesen Tagen sehr schwierig geworden. Denn wie soll man etwas in Worte fassen, das man selbst nicht begreifen kann? Wir wollen euch unterstützen und haben uns damit auseinandergesetzt, wie ihr Kinder in der aktuellen Situation auffangen, informieren und begleiten könnt – hoffnungsvoll, emphatisch und reflektiert.
Es ist Krieg in Europa. Das verstört und beunruhigt, das wirft Fragen auf – für Erwachsene, aber auch bei Kindern. Denn in den Medien, aber auch in persönlichen Begegnungen wird der Krieg in der Ukraine für uns Thema: Plötzlich ist er für uns alle jeden Tag präsent und nah. Fernsehbilder, Radionachrichten, Gespräche mit Freund:innen und Arbeitskolleg:innen, aber auch direkte Betroffenheit eigener Bekannter in den Kriegsgebieten bringen das Thema zu uns nach Hause und in die Schulen – der Krieg in der Ukraine lässt sich nicht ausblenden und bleibt auch vor Kindern nicht verborgen.
Und so entstehen nicht nur Fragen, die nach Erklärungen verlangen – das Thema Krieg ruft auch Gefühle wach, mit denen wir umgehen müssen. Unsere Aufgabe als Erwachsene ist es, Kinder beschützend durch diese Zeit zu begleiten. Fragen zu beantworten, gemeinsam Zeit zu verbringen, Gefühle und Ängste wahrzunehmen und aufzufangen. Aber auch, das Thema Krieg nicht omnipräsent werden zu lassen und darauf zu achten, dass Kinder nicht überfordert werden. Denn auch nicht sprechen zu wollen, kann eine Reaktion auf die aktuellen Ereignisse sein.
Der Krieg in der Ukraine ist eine Situation, für die wir keine Routine haben. Bei WERTvoll macht Schule erklären wir Kindern Themen aus ihrem Alltag. Die aktuelle Ausnahmesituation ist kein Alltag – doch gerade deshalb ist unser aller Umgang mit dem Thema wichtig. Weil wir als Erwachsene Vorbild sind, aber auch Unterstützer:innen, Tröster:innen und Erklärende.
Wir haben eine Sammlung an Hilfestellungen und Informationen für euch zusammengestellt, wie ihr Fragen und Sorgen von Kindern begegnen könnt. Sie können Anregungen für euch als Eltern oder Lehrer:innen sein. Seid ein Kompass für die Kinder.
Ängste ernst nehmen – Erkennt die Ängste der Kinder an, denn Angst haben ist ok! Sprecht gemeinsam über die Ängste des Kindes, seid miteinander neugierig auf das Gefühl. Lasst Kinder nicht mit Ängsten alleine und versucht auch nicht, die Angst kleinzureden. Gebt der Angst gemeinsam ein Gesicht: Wie könnte sie aussehen? Auch zusammen schimpfen und wütend werden kann helfen!
Kindgerecht und kurz – Beantwortet Kinderfragen in altersangemessener Sprache selbst, soweit ihr dies könnt – und taucht nicht unnötig tief in das Thema ein! Wenn ihr nicht weiterwisst, sucht nach kindgerechten Quellen ohne explizites Bildmaterial und seht oder hört sie gemeinsam mit den Kindern an: Das kann eine Kinderradiosendung sein, Kindernachrichten oder ein Buch. Wichtig: Beendet das Thema nach einer angemessenen Zeit wieder und lasst Kinder niemals alleine Informationen zum Thema Krieg lesen oder ansehen. Je nach Alter können Kinder Zusammenhänge besser verstehen. Wichtig: Lasst das Thema nicht omnipräsent werden und den Alltag vollständig bestimmen.
Zuversicht ausstrahlen – Ja, auch Erwachsene sind besorgt. Und als Erwachsene Gefühle zu zeigen, hilft Kindern, zu lernen, dass alle Gefühle in Ordnung sind – auch die traurigen. Bleibt, auch wenn ihr eure Besorgtheit ehrlich zeigt, trotzdem in Gesprächen über das Thema Krieg zuversichtlich, bleibt der/die Erwachsene! Erklärt, dass sich Erwachsene weltweit aktuell über den Krieg austauschen und an Lösungen arbeiten. Und: Auch Erwachsene dürfen zugeben, wenn sie eine Frage nicht selbst beantworten können. Ein ”Du, da lesen wir mal bei einem/r Spezialist:in nach” wird jedes Kind verstehen und zeigt Kindern und Jugendlichen außerdem, dass es wichtig ist, auf seriöse Quellen zu achten.
Schau hin, was dein Kind schaut! – Wählt eure Quellen gemeinsam aus (wir haben euch am Ende des Textes einige zusammengestellt) und frage dein Kind, welche Websites es besucht. Wenn du Lehrer:in bist: Sprich mit deinen Schüler:innen über seriöse Quellen im Internet und wie sie diese erkennen können.
Wünsche formulieren – Ein Weg, der Angst konstruktiv zu begegnen, kann sein, gemeinsam mit Kindern positive Wünsche für einen friedlichen Ausgang der Ereignisse zu formulieren. Diese Wünsche können auch selbstgemalte Bilder oder Plakate werden. Kinder, die einen Religionsunterricht besuchen, können dort mit ihren Lehrer:innen (aber natürlich auch zuhause mit ihren Eltern) ein Gebet sprechen und Bitten formulieren oder eine Kerze anzünden.
Nicht sprechen ist auch ok! – Das gilt für Kinder gleichermaßen wie für Jugendliche. Nicht jede/r kann und will sich mit dem Thema Krieg auseinandersetzen. Und das können wir als Eltern und Lehrer:innen akzeptieren. Wenn du das Gefühl hast, dass Kinder sich Sorgen zum Thema Krieg machen, aber sich nicht trauen, darüber zu sprechen: Mache Gesprächsangebote, ohne darauf zu drängen.
Themen klären – Worüber ist dein Kind, sind deine Schüler:innen besorgt? Sorgen sie sich um Kinder in ihrem Alter, die den Krieg erleben müssen? Haben sie Angst, dass der Krieg sie selbst erreicht? Haben sie eine diffuse Angst, weil sie Bilder in den Medien gesehen haben? Kinder und Erwachsene haben unterschiedliche Perspektiven auf Themen: Frag nach, was die Kinder konkret bewegt!
Selbst aktiv werden – Helfen hilft: Denn wer selbst etwas tut, fühlt sich weniger hilflos. “Selbst aktiv werden” bedeutet, einen kindgerechten Handlungsspielraum zu eröffnen, um Selbstwirksamkeit zu erleben: Vielleicht wollen Kinder ein Plakat malen oder selbst eine Frage an KiKA aktuell senden? Oder man erkundigt sich nach Spendensammlungen in der Nähe. Wertschätze den Wunsch deines Kindes, selbst etwas zu tun und unterstütze es dabei! Auch im schulischen Rahmen sind Aktionen möglich: Vielleicht hat deine Klasse den Wunsch nach eigenem Engagement an eurer Schule?
Im Gespräch bleiben – Sprich mit deinem Kind darüber, ob Krieg auch in der Klasse oder im Freundeskreis Thema ist. Biete an, über Fragen, die aufgekommen sind, zu sprechen. Erkundige dich danach, ob dein Kind direkte Betroffenheit empfindet: Vielleicht gibt es Kinder aus Russland und der Ukraine in der Klasse – macht dein Kind sich Sorgen um Freund:innen?
Wachsam sein – Wenn du Lehrer:in bist, hab ein Auge darauf, ob Kinder in deiner Klasse ausgegrenzt werden. Sind ukrainische Kinder besonders in Sorge? Werden russische Kinder ausgeschlossen und verängstigt? Sei sensibel für das Klassenklima und versuche, offene Fragen der Kinder aufzugreifen und gemeinsam zu beantworten. Stelle klar, dass Kinder niemals an Konflikten von Erwachsenen schuld sind. Wie immer gilt für Lehrkräfte, sich Rat und Unterstützung bei der Schulleitung sowie dem/r Schulpsycholog:in zu holen.
Schuldgefühle erkennen – Kinder aus Familien, deren Heimatland vom Krieg betroffen ist, sei es die Ukraine oder Russland, können Schuldgefühle entwickeln. Sprich mit deinem Kind, wenn es selbst Schuldgefühle entwickelt oder dies Thema in seinem/ihrem Freundeskreis ist: Kinder sind niemals an den Konflikten der Erwachsenen schuld!
Thema Flucht und Krieg als Trigger – Viele Kinder an deutschen Schulen haben selbst Fluchterfahrungen gemacht oder kommen aus Familien mit solchen. Bevor du die Themen Krieg oder Flucht in deiner Klasse thematisierst, bedenke die Biografien der Schüler:innen. Themen, die für die einen unproblematisch sind, können bei anderen Kindern Traumata reaktivieren.
Erklären – Die meisten von uns sind keine Spezialist:innen zum Thema Krieg. Aber es gibt Fachleute, die sich genau darauf spezialisiert haben, Fragen rund um den Krieg in der Ukraine altersgemäß zu erklären: Das können Medienfachleute, Pädagog:innen und Psycholog:innen, aber auch Konfliktforscher:innen, Politikwissenschaftler:innen oder Historiker:innen sein. Greife für Erklärungen auf seriöse, kindgerechte Quellen zurück und meide Kriegsberichterstattung für Erwachsene (und mit expliziten Bildern). Das öffentlich-rechtliche Kinderfernsehen mit seinen Info- und Nachrichtensendungen für Kinder ist ein guter Anlaufpunkt. Wir haben euch eine kleine Anzahl von Links zu Sendungen und Websites zusammengestellt.