Welche Werte müssen den Kindern vermittelt werden und wie?
Ein Interview mit Erziehungsexperte Jan-Uwe Rogge: Wertearbeit, das Vermitteln eines stabilen Wertesystems, ist eine zentrale, ganz wichtige Aufgabe der Grundschulen. Alle Kinder werden in der Regel gemeinsam beschult, ungeachtet ihrer Fähigkeit, Herkunft, oder ethnischem Hintergrund. Hier kann Schule noch am ehesten integrativ wirken. Eine zunehmende Diversität von Schülern bringt neue Herausforderungen für Schulen und Lehrer – gerade auch vor dem Hintergrund aktueller Zuwanderungsströme von Flüchtlingen.
Unterschiedliche Herkunftsländer und damit verschiedene Kulturkreise und gesellschaftliche Wertesysteme sind nicht neu an Deutschlands Schulen, jedoch in ihrer aktuellen Dimension schon. Fehlende und mangelnde Sprachkenntnisse sind nur ein Problem, das zunehmender Aufmerksamkeit in der Schule bedarf. „Hinzu kommt, dass mit steigendem Zugang von Flüchtlingskindern vermehrt unterschiedliche gesellschaftliche und kulturelle Einflüsse aufeinandertreffen. Inwiefern ändert sich also durch den Zugang vieler Flüchtlingskinder für die Lehrkräfte in den Grundschulen ihre Arbeit? Welche Auswirkung haben Sprachbarrieren? Was passiert, wenn verschiedene Wertesysteme aufeinandertreffen? Darüber haben wir mit dem Erziehungsexperten Dr. Jan-Uwe Rogge gesprochen.
Lehrkräfte sind im Hinblick auf Werte wichtige Vorbilder
Werte werden nicht zuvorderst durch Sprache vermittelt, betont Jan-Uwe Rogge, sondern müssen vielmehr vorgelebt werden: „Es geht darum, dass wir für uns gültige Werte den Kindern vorleben und so vermitteln. Ganz wichtige Werte sind etwa Wertschätzung und Achtsamkeit.“ Den Lehrerinnen und Lehrern komme dabei eine Vorbildfunktion zu, denn „sie sind für ein wertschätzendes Klima in der Klasse verantwortlich. Dazu gehört, sich gegenseitig zuzuhören, aufeinander einzugehen und sich gegenseitig zu respektieren“. Die Persönlichkeit der Erziehenden oder des Erziehenden spielt dabei eine ganz wichtige Rolle, denn sie ist schon im Kindergarten, aber ebenso in der Grundschule ein ganz wichtiges Vorbild und eine entscheidende Bezugsperson für die Kinder.
Auf kulturübergreifenden Werten aufbauen
Dass nun die Flüchtlingskinder zum Teil ohne alles hierher gekommen sind und einen anderen kulturellen Hintergrund haben, heißt indes nicht, dass ihr Wertesystem ein ganz anderes ist. Es gibt übernationale Werte, die kulturübergreifend zentral sind, sagt Jan-Uwe Rogge: „Wertschätzung und Achtsamkeit gelten beispielsweise in Afghanistan ebenso wie in Syrien. Diese Werte halte ich für absolut wichtig. Ich achte dich, und ich erwarte, dass du mich achtest. Ich schätze dich wert, und ich möchte von dir wertgeschätzt werden.“
Natürlich gibt es nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch Unterschiede. Abweichende gesellschaftliche Normen und Vorstellungen über Rollenbilder sind hierfür ein Beispiel. Grundsätzlich müsse dabei nicht befürchtet werden, dass sich durch eine solche Diskrepanz ein problematischer Zwiespalt für die Kinder ergibt, meint der Erziehungsexperte: „Kinder können mit Unterschiedlichkeiten durchaus umgehen. Das ist kein zentrales Problem, denn sie erleben das überall – etwa, dass sie von den Eltern anders angenommen werden als von den Großeltern. Vielmehr erfordert es von den Lehrern ein gewisses Bemühen.“ Auch Schule sei ein Ort, an dem Werte vermittelt und vorgelebt werden. Unterschiedlichkeit sei zudem nicht zuvorderst eine Frage des Herkunftslandes, betont Jan-Uwe Rogge, denn „deutsche Kinder, die aus einer Familie kommen, in der es sehr machtorientiert zugeht, erfahren ebenfalls eine Diskrepanz, wenn sie in der Schule Wertschätzung und Achtsamkeit kennenlernen.“
Die Bedeutung von Gelderziehung in der Grundschule
Zu den Werten, die Kindern in der Grundschule vermittelt werden müssen, gehört auch das Geld. Dies erachtet auch Jan-Uwe Rogge für wichtig: „Denn der Umgang mit Geld bedeutet auch, Verantwortung zu übernehmen.“ Geld ist ein greifbarer Wert und ein Wertesymbol. Es bestimmt den Wert einer Sache oder einer Leistung. Im Gegensatz zu anderen Werten wie Achtsamkeit und Respekt, können wir es sehen und anfassen. Frühzeitig den richtigen Umgang mit Geld zu lernen, zu üben, damit zu planen und es einzuteilen, ist ein wichtiger Aspekt in der Erziehung von Grundschulkindern. Dazu gehört auch Kindern zu vermitteln, wie sie sich in der Konsumgesellschaft zurechtfinden und frei von Markendruck ihre Entscheidungen treffen können. Gerade für die Kinder von Geflüchteten ist dies ein sensibles Thema, das schnell zu Ausgrenzung führen kann, wird es nicht in der Schule aufgegriffen.